Schreiben

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Mittwoch, 29. Januar 2014

Betrachtung zum neuesten Lektorat

Als die Autorin an mich herantrat, nahm ich die Herausforderung gespannt an. Denn ein Manuskript einer Japanerin zu lektorieren ist nochmal etwas anderes, als das einer Muttersprachlerin zu begutachten.
Ich las also die Texte, und zuerst wollte sich kein Bezug dazu einstellen. Ich konnte einfach nicht zwischen den Zeilen lesen, den Subtext nicht greifen. Ich las etwas sehr Zartes, Zurückhaltendes, vergleichbar mit Kirschblütenknospen, die mir verschlossen blieben. Was tun?, fragte ich mich. Dann sammelte ich mich und begann in der 1. Überarbeitungsrunde die Sätze gemeinsam mit der Autorin europäischer zu gestalten. Langsam öffneten sich dadurch die zarten Kirschblüten, und von Runde zu Runde entfalteten sie sich mehr und mehr. Nun verstehe ich die Texte und das Unausgesprochene zwischen den Zeilen. Und das, was die Autorin den Lesern mitteilen will, ist eine wunderbare Idee. Das war sie von Anfang an. 


Nachdem wir alles vollbracht hatten, schrieb die Autorin auf Facebook:
Meine Lektorin hat 2. Stufen gemacht: 1. Grammatische Korrektur 2. Inhaltliche Korrektur. Aber sie hat schon von 1. Stufe an mehrere wichtige Fragen gestellt. Ich beantwortete ihre Fragen verzweifelt. Aber ich konnte genau mitteilen, was ich im Kopf hatte. Sie formulierte besser, was ich sagen wollte. Sie legte viele liebliche Ideen in meinen Text. Erstmals hatte ich mich geschämt sehr, weil ich fühlte mich, wie meine Unterwäsche zeigen ließ. Aber da sie meine Erklärung richtig verstanden war, und verbesserte meinen Text, meine Geschichte blieb "mein" aber verbessert. Das war eine schöne Erfahrung.

Ich antwortete ihr:
ein Lektor ist wie ein Leibarzt, denn er zieht den Patienten - den Text - nackt aus, um den Körper zu verstehen, zu verstehen, was zwischen den Buchstaben und Zeilen steht. Dann erst sieht und hört er das Herz eines Textes klopfen. Du hast mir dein Vertrauen geschenkt, dass ich das alles fühlen konnte, was dort steht. Ich weiß, dass das für jeden Writer eine Entblätterung bedeutet. Ich danke dir für die schöne gemeinsame Zeit und Arbeit.

Wie schon erwähnt, geht es um eine sehr zarte Liebesgeschichte. Die Protagonisten sind ein Wissenschaftler, Mitte 30, und ein sehr junger Mann, eine Waise, der als sein Assistent arbeitet. Die beiden kommen letzten Endes in eine Situation, die erschreckende Wahrheit ist, obwohl man das als Leser kaum für möglich halten kann. Mehr möchte ich nicht verraten.


Naiv

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